Wild(sch)weine
Das Weinbaugebiet Minervois-La-Livinière ist die kleine, aber feine Appellation im Minervois, der Region zwischen Carcassonne im Westen, dem Canal du Midi im Süden und den Ausläufern der Cevennen im Norden. Hier besuchten wir den ausgebildeten Oenologen Jean-Christophe Piccinini, der in La Livinière seit knapp 25 Jahren Perlen des Languedoc kreiert.
«Ja, aber nur eine Viertelstunde», sagt Jean-Christophe Piccininis Bürohilfe am Telefon. «Es ist Lese, müssen Sie wissen. Um halb elf, im Keller. Mitten im Dorf, werden Sie schon finden.» Finden wir nicht. Nur das Verkaufslokal der Domaine Piccinini an der Route des Meulières in La Livinière. Ausgestorben; wir stehen da wie bestellt und nicht abgeholt. Vom oberen Ende der Strasse rumpelt uns ein klappriger kleiner Lieferwagen entgegen, der seinem Lenker eng anzuliegen scheint wie ein blauer Stützstrumpf. Die Kiste hält: «Ah, les Suisses. Suivez-moi!» Wir rennen dem Winzer hinterher, nach 100 Metern hält er vor einem unscheinbaren alten Gebäude: sein Keller.
Täglich pflegt er hier seinen Wein oder im Weinberg die Reben – ausser Dienstags. Dann ist er nämlich auf der Jagd, am liebsten nach Wildschweinen. Erlegen, verspeisen. Piccinini, ein Hüne von Mann, erinnert in diesem Moment ein wenig an Obelix, so stark, so gutmütig und so versessen auf Wildschweine. «Überhaupt», sagt er, «ihr solltet mindestens eine Woche im Minervois bleiben. Dann könnte ich euch zeigen, wie es sich hier leben lässt. Kennt ihr die Cuisine occitane?»
Präzise Arbeit im Keller
Jean-Christophe zeigt gleich im Eiltempo im engen Keller, wie er die Gärung über Temperatur und Zeit steuert. Mit Kreide zeichnet er Schemata an den Tank, während seine Frau Anicet den Inhalt durch Umpumpen belüftet. Immer wieder unterbricht Piccinini seine Erklärungen, um mit Wasser kleinste Traubensaftspritzer schnell und grosszügig wegzuspülen. «Es braucht eine Menge sauberen Wassers, um einen guten Wein zu machen!»
Wir degustieren verschiedene Reifestadien des gärenden Mosts, danach auch die bereits in der Ruhephase befindlichen Syrah und einen reinen Pinot Noir. Vielversprechend – vielleicht etwas für Vindoc? Piccinini ist ein innovativer Winzer, stets auf der Suche nach Neuem oder Anderem. Häufig entstehen dabei Tropfen, die zu ausführlichen Diskussionen Anlass geben. Wir von Vindoc sind stolz, dass Max Lindegger bei Piccininis Neuheiten um Rat gefragt wird. So hat beispielsweise der Erfolgswein Helius Petri, ein reiner Cabernet Franc, den Weg in die Regale gefunden.
Nach einer halben Stunde Kletterei auf steilen Leitern durch Piccininis Keller haben wir seine Geheimnisse kennengelernt: absolute Sorgfalt, klare Strategie und stete aufmerksame Überwachung und Pflege der Moste. «Möchtet ihr noch in den Weinberg?» fragt er unvermittelt. Mais oui!
Neue Parzellen an bester Lage
«Ich nehm’ schnell deinen Wagen», ruft er seiner Frau zu und schon schaukeln wir über die schmalen, von Bruchsteinmauern eingefassten Feldwege, die sich eng und kurvig um die Parzellen winden. Etwas erhöht über dem Dorf befinden sich die ersten Weinberge des Guts, wo der Cabernet Franc für den Helius Petri wächst. Jean-Christophe weist mit der Hand gegen die ersten Hügel der Cevennen, wo man an exponierter Lage frisch umgepflügte Parzellen erkennt. Das seien die höchstgelegenen Parzellen der AOC Minervois La Livinière, sagt er. Er habe sie sich im Tausch sichern können gegen einige schlechter gelegene in der Ebene, welche die Gemeinde an Grossinvestoren aus dem Bordelais verschachern wollte. Im vergangenen Jahr habe er mit der Neubestockung begonnen, 2015 gehe es weiter mit insgesamt 6.5 ha neu angepflanzten Syrah, Grenache und Mourvèdre.
«Los, wir müssen kurz hoch, die Aussicht ist unglaublich.» Und wahrhaftig, eine Viertelstunde später überblicken wir das ganze Minervois, erkennen in weiter Ferne das Mittelmeer und die Ausläufer der Pyrenäen. Piccinini stemmt die Hände in die Hüften, stolz, als hätte er die lieblich geschwungene Landschaft mit den locker eingestreuten Dörfern selber entworfen.
«Den Schiefer müsst ihr noch sehen!» Eine weitere Viertelstunde in Anicets schaukelndem Renault später sehen wir in weiter Ferne die beste Lage des Minervois: einen Schiefersolitär in der sonst kalkigen Landschaft, sanft geneigt nach Süden und vor den starken Westwinden geschützt durch Nadelgehölz. Während der Nacht fällt kühle Luft herab; herab aus den Höhen der Causse, der Kalkhochebene im Massif Central.
Mittlerweile, weitere drei Parzellen später, sind wir zurück im Dorf. Sein Handy klingelt. «Ja, ich weiss, bin schon da.» Es ist mittlerweile ein Uhr vorbei, Anicet wartet längst auf ihn: Das Mittagessen steht bereit. Etwas Deftiges, denn am Nachmittag geht es wieder an die Lese in die Weinberge der örtlichen Kooperative. Man hilft sich gegenseitig …
Eigenständige Sprache Okzitanisch
Im Dorfzentrum passieren wir eine lockere Gruppe Einheimischer beim Schwatz vor Mittag. Piccinini kurbelt das Fenster herunter und ruft im Vorbeifahren einen unverständlichen Satz. «Sie sollen aufhören zu schwatzen und nach Hause Mittagessen gehen, sonst fallen sie alle noch aus dem Leim», erklärt er. «Wir sprechen hier untereinander Okzitanisch. Französisch spreche ich nur, wenn ich muss.» Er stoppt vor seinem Verkaufslokal und empfiehlt uns das Restaurant «Les Meuliers» gleich nebenan. Adieu, Jean-Christophe. Bei einem vorzüglichen Salade de Chêvre beschliessen wir, nächstes Mal länger im Minervois Halt zu machen.
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